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Laudatio auf Pascal Lieberts Predigt „Mein Seufzen ist dir nicht verborgen“ – Sorgende Männer, Sorgen der Männer, Sorge um Männer von Dr. Volker Lehnert Liebe Anwesende lieber Herr Liebert, wir ehren heute Ihre Predigt zu Ps 38,10, indem wir Sie mit dem Predigtpreis Männer 2023 auszeichnen. Die Jury war sich relativ schnell einig, dass Ihnen hier eine richtig gute Predigt gelungen ist, besonders auch, weil wir wissen, dass Sie als Student der Theologie ja noch nicht aus dreißig Jahren Predigterfahrung schöpfen können. Ihre Predigt, die Sie im Rahmen Ihres Diakoniepraktikums erarbeitet haben, hat uns aus mehreren Gründen sehr angesprochen und überzeugt. Einige davon will ich nun nennen: 1. Sie legen in der Tat einen biblischen Text aus. Wir halten das nach wie vor für die Grundaufgabe einer evangelischen Predigt. Sie stellen Ps 38,10 in den Kontext des nachfolgenden Verses und gewinnen aus dem Zusammenhang wichtige Facetten zur Auslegung. Und Sie stellen den Vers in den Zusammenhang mit Mt 6,34 und gewinnen auf diese Weise einen Zusammenhang gesamtbiblischer Theologie, eines exegetischen Programms, das vor vielen Jahren mal mit viel Verve begonnen wurde, derzeit aber in der Prioritätenliste kirchlicher und universitärer Interessen nach meiner Wahrnehmung nicht auf Platz 1 steht. 2. Sie erschließen einen realen Alltagsbezug der exegetischen Betrachtung. Die immer wieder viel diskutierte Frage, ob die Erschließung einer applicatio auf die historische Exegese als ein zweiter Schritt folgen muss, oder ob sich nicht eine theologische und existentielle Exegese immer schon innerhalb performativer Applikation bewegt, wie es Klaus Berger – die Älteren erinnern sich – beschrieben hat, entscheiden Sie homiletisch eindrücklich. Sie meditieren das Motiv des Seufzens und entfalten darin zugleich narrativ reales menschliche Seufzen am Beispiel zweier Männer. 3. Die beiden Beispiele, ein an Demenz leidender Bauleiter, der seine Arbeit vermisst, aber eigentlich Ruhe sucht, und ein Landwirt, der Ruhe und Erholung von seiner Arbeit vermisst, aber eigentlich doch weiterarbeiten will, illustrieren sehr nachvollziehbar die Ambivalenz der Rolle des menschlichen „Werkes“, wie reformatorische Theologie es klassisch ausdrücken würden. Wenn ich bin, was ich tue, dann bin ich nichts, wenn ich nicht tun kann, was ich tue – in der Predigt der Bauleiter. Wenn ich mehr bin, als das, was ich tue, dann bin ich nicht ganz der, der ich bin, wenn ich immer nur tue – in der Predigt der Landwirt. Seufzen begegnet uns somit als ein äußerst ambivalentes Phänomen. Thomas Bauer, Professor in Münster, würde sagen: Leben, gerade wenn es wirklich lebendig ist, realisiert sich immer nur in Ambiguitäten und gerade nicht in Eindeutigkeit. Und schon von der paulinischen Anthropologie her, ich verweise nur auf Röm 7, wissen wir: Was wir wollen, ist ja oft gar nichts das, was wir wirklich wollen, und schon gar nicht immer das, was wir brauchen. Ihre Predigt führt uns diese Ambivalenz eindrucksvoll vor Augen. 4. Ihre Predigt vollzieht dezidiert Theologie. Und zwar dadurch, dass sie in der Tat von GOTT reden und zwar so, dass unsere Hoffnung auf etwas, das wir von Gott erwarten, Sprache findet: Der eine sucht Arbeit, sehnt sich aber eigentlich nach Ruhe. Der andere erfreut sich der Ruhe, sehnt sich aber eigentlich nach weiterer Arbeit. Beide seufzen beides. Und nun Ihre theologische Perspektive: Gott bleibt unser Seufzen nicht verborgen: „Herr, die kann ich nichts vormachen“ und „Beides wird Gott den Männern geben“. In diesen Worten kommt zweierlei zum Ausdruck: Zum Ersten: Vor Gott stehen wir immer nackt da und alle Rollenspielerei und Selbstverbiegung hat ein Ende – das befreit. Zum Zweiten: Gott wird uns das schenken, was wir wirklich brauchen – das lässt hoffen. Der deutliche Verweis auf Gott, der da ist, der bei uns ist und von dem wir etwas erwarten dürfen! Das ist Predigt! 5. Und schließlich: die Fokussierung alles Gesagten auf die in der Predigt anwesenden Hörer: „Ich bin der Vater, der Arbeiter, der Ehemann, der Opa, das Vorbild, der Chef“ - ich füge hinzu: Und ich bin noch vieles mehr … Richard David Precht hat ja schon vor Jahren geschrieben: „Ich bin, fragt sich nur wie viele.“ Hier hat Precht recht. Rollendiffusion nennen wir das heute. Vielgestaltige, manchmal paradoxe Ambiguität in der eigenen Person und in der eigenen Rollenvielfalt. Und dann ihr Fokus: „Bei Gott bin ich der Seufzer“. „Wir können seufzen. Unsere Nächsten werden es nicht immer verstehen.“ Ich füge hinzu: „ich selbst wohl auch nicht wirklich“. Ihre Predigt schließt mit den Worten: „Gott aber weiß, wie es gemeint ist“. So hören wir am Ende Ihrer Predigt den Seelsorger, der im Seufzen Segen findet! Lieber Herr Liebert, herzlichen Glückwunsch zum Predigtpreis 2023.