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Laudatio auf Christoph Masers Predigt „Mein Seufzen ist dir nicht verborgen“ von Dr. Volker Lehnert Liebe Anwesende, lieber Christoph Maser, über den richtigen Predigtanfang wird in der Homiletik ja immer wieder diskutiert. Wie lange überlegen wir manchmal, wie wir starten sollen. Wie die Aufmerksamkeit erlangen? Wie das Eis brechen? Der Anfang Ihrer Predigt lässt diesbezüglich nichts zu wünschen übrig: „Mein Gott, vor Dir fühle ich mich wie Donald Duck …“ Ein Name, Donald Duck, und alle wissen, was gemeint ist. Die Stilisierung und Metonymisierung aller menschlichen Gebrochenheit und allen menschlichen Seufzens in einer Symbolfigur. Mehr braucht man nicht als diese eine Assoziation, um zu beschreiben, was Henning Luther mit dem „fragmentierten Menschen“ meint. In der Tat besitze ich noch einige von Disneys Lustigen Taschenbüchern aus meiner Jugend in den 70ern und ich gestehe: Ich habe doch glatt nach Donalds „Seufz“- Sprechblasen geblättert … Gelegentliche regressive Kontingenzen haben ja auch spürbare seelsorgerliche Auswirkungen. In Ihrer Predigt folgt eine pfiffige Ausdifferenzierung der mannigfachen Facetten menschlichen Seufzens: Seufzen kann genervt sein. Seufzen kann traurig sein. Seufzen kann resigniert sein. Seufzen kann sehnsuchtsschwer sein. Seufzen kann angstvoll sein. Seufzen kann wohlig sein. Seufzen kann zufrieden sein. Seufzen kann erleichternd sein, oder ein Ausdruck von Erleichterung. Und dann Ihr Seufzer als Prediger: „Darüber soll ich predigen?“ Was folgt, gehört m. E. in jedes homiletische Lehrbuch: „Der Vers braucht keine Predigt … Er erklärt sich selbst.“ Ja, das Wort Gottes wirkt performativ aus sich selbst heraus! Jes 55 bringt das auf den Punkt! Und hatte uns nicht Martin Luther darüber hinaus nicht auch eingeschärft, dass die Schrift sich selbst erkläre!? Manchmal müssen wir das Wort einfach stehen lassen. Es muss selber sprechen, anstatt allzu schnell Objekt unseres Sprechens zu werden. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber gelegentlich wirken Predigten auf mich wie der unbeholfene Versuch, einen Witz zu erklären. Und dann wundern wir uns, dass niemand lacht. Erlauben Sie mir eine vielleicht etwas gewagte Analogie: Ein nicht performativ ausgelegter Bibeltext, der lediglich als Objekt unserer Beschreibung herhalten muss, bewirkt genau so wenig Glauben, wie ein erklärter Witz Lachen auslöst. Ernst Fuchs hatte seinerzeit unter dem Stichwort „Sprachereignis“ nachhaltig Bedenkenswertes zu diesem Phänomen geschrieben. „Der Vers braucht keine Predigt … Er erklärt sich selbst.“ Nicht zerreden – einfach vertrauen, dass es so ist! Gott hört uns! Ist wie mit dem Liebesgebot – darf man nicht wegrelativieren, muss man einfach nur tun! Nach der semantisch-psychologisch-seelsorglichen Differenzierung des Verbs „seufzen“ im Deutschen und der Vergewisserung der Performativität des Psalmwortes präsentieren Sie uns eine eindrucksvolle Tiefenbohrung anhand einer kurzen Exegese des hebräischen Sprachspiels. Lieber Herr Maser, das hat mich besonders gefreut angesichts der wiederaufgeflammten Diskussion über den Stellenwert des Hebräischen in der Theologischen Ausbildung. Die Schrift vom Urtext her zu uns sprechen zu lassen, war doch der ganze Stolz Martin Luthers und stellte einen ganz wesentlichen Grund für die Akademisierung der Pfarrerausbildung dar! An Ihrer Predigt gewinnen wir einen Eindruck davon, was es heißt, dass alle theologische Arbeit im Kern konsequente Exegese ist, wie wir von Eberhard Jüngel gelernt haben: SaChaR steht hier im Nifal. Zu übersetzen ist also: „Mein Seufzen verbirgt sich nicht vor Dir!“ Mein Seufzen wird zum Subjekt, Sigmund Freud würde sagen: zum „Anderen in mir“. Wir haben es hier mit einem riesigen „Antiverdrängungs- und Antitabuisierungsprogramm“ Gottes zu tun. Gott will Licht in unsere verknäulte Seele bringen und in unsere Schatten allzumal. Nicht zufällig kombiniert Jesus in seinen Aussendungsreden immer wieder den Auftrag zur Verkündigung mit dem Auftrag zu heilen! In der Begegnung mit dem Bibelwort offenbart Gott nicht nur sich, sondern gleichermaßen auch uns vor uns selbst. Die ganze Verdrängung, die ganze Verlogenheit, die ganze Angst vor der Wahrheit, die ganze Schauspielerei voreinander und oft auch vor sich selbst – sie wird ausgeschaltet, umgeleitet und gerät in den Lichtkegel Gottes: „Seufzen als Durchlüften der Seele“ – wunderbar! Und Gott hält das Fenster geöffnet! Und dann nochmals ein anderer Zugang zur Sache des Psalmwortes: Seufzen wurde auch medizinisch als Therapie erkannt, als Therapie zerfallender Lungenbläschen. Wenn das kein Fund in der Wissenschaft ist, dann weiß ich es auch nicht. Und es ist ein Beweis dafür: Interdisziplinäre Kenntnisse zahlen sich für die homiletische Praxis aus! Am Ende schließt sich der Kreis der Betrachtungen mit einer letzten biblischen Betrachtung: Hebr. „Nefesch“ heißt der tragende Begriff, früher mit „Seele“ übersetzt, oder mit „Odem“, den Gott dem Adam eingehaucht hat. Vielleicht könnten wir heute mit „Vitalität“, „Lebenskraft“ oder einfach mit „Leben“ übersetzen. Wir verdanken unser Leben Gott. Daran erinnert uns all unser Seufzen – und daran haben auch Sie uns, lieber Herr Maser, mit Ihrer eindrucksvollen Predigt erinnert. Hätte doch nur Donald Duck von all dem gewusst … Lieber Herr Maser, zum zweiten Mal erhalten Sie den Predigtpreis Männer – herzlichen Glückwunsch!