Vater sein heute
Es ist heute normal, wenn Männer mit in Geburtsvorbereitungskurse gehen. Bei der Geburt
sind sie dabei. Es gilt als selbstverständlich, dass sie den Säugling wickeln. Es ist ihnen
wichtig und macht ihnen Spaß, von Anfang die Bindung zu ihrem kleinen Kind aufzubauen
und zu entwickeln. Spielen, toben, trösten - sich auf ein Kind einlassen und sich
herausfordern lassen, über die beste Erziehung grübeln, all die kleinen und großen Sorgen
der Elternschaft zu erleben und die Freuden zu genießen, all das wollen sie und gestalten es
bewusst. Männer möchten nicht länger nur Ernährer und Versorger sein, sie sehen sich
vorrangig als Erzieher, als fürsorgliche Lebensbegleiter und verlässliche Bezugsperson ihrer
Kinder.
Väter sind wichtig. Mit Engagement und Leidenschaft Vater zu sein, entlastet,
bereichert und stabilisiert die Beziehung zur Partnerin. Dass aktive Väter ihren Kindern gut
tun und dass die Kinder vielfältig profitieren, ist wissenschaftlich erwiesen. Niemand käme
heute noch auf die Idee, das in Frage zu stellen. Eine neue Kultur der Väterlichkeit ist im
Begriff, zu entstehen - und die Werte der Gesellschaft in Bewegung zu bringen.
Auch wenn dieses Bild noch längst nicht für alle Väter (und diese Haltung nicht für alle
Männer) gilt, ist der Trend klar erkennbar. Er wächst. Es verändert sich etwas in der
Gesellschaft. Über das Vater sein hinaus zeigt sich das im steigenden Interesse, Männer für
die Aufgaben im Care-Bereich der Gesellschaft verstärkt einzubeziehen: als Erzieher in
Kindertagesstätten oder aber in der Pflege.
Die "neue Väterlichkeit" bringt indessen auch neue Herausforderungen mit
sich. In Partnerschaften müssen die Rollen und Aufgaben gemeinsam immer wieder neu
verhandelt und genau abgestimmt werden. Auf die jeweiligen momentanen Bedürfnisse,
Interessen aber ganz vorrangig auch auf die finanziellen Erfordernisse für die Familie hin.
Partnerinnen, aber auch alte und neue gesellschaftlichen Normen konfrontieren die Männer mit
durchaus widersprüchlichen Erwartungen: Fürsorglich zu sein und mehr Wert auf die Zeit mit
Kindern zu legen gerät in direkten Gegensatz zu den traditionellen Vorstellungen, dass Männer ihre
Familien so erfolgreich wie möglich materiell zu versorgen haben. Dazu sollen und müssen sie sich
auf Karriere, Status Arbeit konzentrieren. Und die Ansprüche in Betrieben und bei Arbeitgebern
haben nicht abgenommen, im Gegenteil. Immer stärker wird die Bereitschaft zu Flexibilität,
Verfügbarkeit und erhöhtem Einsatz gefordert. Zudem werden Arbeitsverhältnisse vielfach
unsicherer. Das erhöht den Druck. Trotz der Bemühungen um fortschrittliche Arbeitszeitregelungen
und der intensiven Beteiligung der berufstätigen Partnerinnen bleiben die Möglichkeiten hinter den
Wünschen zurück. Die Folgen dieser Konflikte zeichnen sich ab, z. B. an der Kluft zwischen den
Wünschen nach mehr Zeit für die Kinder einerseits und der Inanspruchnahme der gesetzlichen
Elternzeit andererseits.
Männer müssen sich also neu (er-) finden. Viele tun das ganz selbstverständlich und wie
nebenbei, im Rahmen ihrer Beziehungen. Sie werden zu den neuen Vorbildern des
gesellschaftlichen Trends. Es gelingt ihnen, Leben und Arbeit in Balance zu bringen, sie
verbinden glücklich Verantwortung und Selbstverwirklichung. Aber die Bemühungen, die
verschiedenen Anforderungen unter einen Hut zu bekommen, können auch stark
überfordern. Väter müssen vermehrt Trennungen bewältigen und dabei versuchen, den
Kontakt zu ihren Kindern weiter positiv zu gestalten. Sie leben in Patchwork-Familien und
übernehmen für die Kinder einer neuen Partnerin die Rolle eines sozialen Vaters - unter
Umständen sogar mehrfach nacheinander. Und sie müssen ihre Vorstellungen in die mitunter
engen Grenzen der Arbeitswelt einpassen.
Man kann nicht erwarten, dass die "neuen Väter" nun die widersprüchlichen
Voraussetzungen der Gesellschaft im Alleingang ändern. Die Vereinbarkeit von Arbeit und
Beruf ist keine Privatsache und auch nicht von den Familien zu lösen. Die Frage nach dem Wert der
Arbeit betrifft die ganze Kultur. Die Bereitschaft, auch Vätern neue Arbeitszeitmodelle glaubhaft und
ohne längerfristige Benachteiligung anzubieten, stellt sich bei Unternehmen nicht von selbst ein.
Es kommt auf die Rahmenbedingungen an. Väter verdienen Unterstützung: bei der
Herausbildung einer neuen modernen Identität und bei der Gestaltung ihrer Arbeit und ihrer
Sozialräume. Es sind Bemühungen, die der gesamten Gesellschaft - zumal einer alternden mit
Fachkräftemangel - zu gute kommen. Sie sind kein Luxusproblem.
Seit einigen Jahren gibt es öffentliche Unterstützung in vielen Bereichen. Es gibt selbstorganisierte
Väter-Gruppen, Kurse in Bildungseinrichtungen, gezielte Freizeitangebote für Väter mit Kindern,
politische Initiativen für die Umstrukturierung der Arbeitswelt und weiteres mehr. Das Thema
"Väter" ist in den Medien sehr präsent. Jüngst wurde sogar im Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend ein eigenes Referat für die spezifischen Belange von Männern
eingerichtet.
Die evangelische Kirche gehört zu den Ersten, die die Situation von Vätern aufgegriffen hat. Ihre
vielfältigen Einrichtungen haben eine große Zahl an unterschiedlichsten Angeboten hervorgebracht,
in denen Väter sich erstmals untereinander austauschen können. Sie stellen Diskussionsräume zur
Verfügung, in denen politische Forderungen formuliert werden und sie nutzen ihre Möglichkeiten, die
Situation der Väter in die öffentlichen Debatten hinein zu vermitteln. Und natürlich bieten sie viel
Spaß und Anregungen für das Zusammensein von Vätern mit ihren Kindern.
Das Projekt väter::aktiv - EvangelischesVäterForum bündelt und fördert diese Aktivitäten.
väter:aktiv
Immer mehr Väter
möchten heute
aktiv für ihre Kinder
da sein. Sie
wünschen sich so
viel Zeit wie
möglich mit ihnen
zu verbringen. Eine
intensive Beziehung
zu den Kindern
pflegen zu wollen,
ist eine noch junge
Errungenschaft. Das
Erscheinungsbild
von moderner
Vaterschaft hat sich
in den letzten drei
Jahrzehnten
entscheidend
verändert.