Vaterschaft heute

Die Rolle und Bedeutung von aktiver Vaterschaft für die Entwicklung von Kindern

„Wie wichtig sind Väter?“ Diese Frage konnte vor noch wenigen Jahrzehnten nur undeutlich beantwortet werden. Zwar tauchte in der Literatur immer wieder der Begriff der „Vaterlosigkeit“ auf - ein Begriff, der die Abwesenheit der Väter nicht wirklich beschreibt, denn es gibt natürlich niemanden, der keinen Vater hat -, was die „Vaterentbehrung“ aber für die Entwicklung der Kinder bedeutet, blieb oft im Dunkeln.

Wie wichtig und bedeutend Väter für ihre Kinder sind, das haben der Familienforscher Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis und Dr. Beate Minsel vom Staatsinstitut für Frühpädagogik in München untersucht. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass „Vaterentbehrung“ bzw. „aktiv gelebte Vaterschaft“ einen direkten Einfluss auf die Entwicklung der Kinder hat. Beide Wissenschaftler belegen allerdings auch, dass die berufsbedingte Abwesenheit der Väter allein nicht zwangsläufig zu negativen Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern führen muss. Dies vor allem dann nicht, wenn Väter in den Zeiten, in denen sie präsent sind, bewusst und intensiv auf ihre Kinder eingehen.

Dass Männer für die Entwicklung von Kindern wichtig sind, lässt sich auch durch eine amerikanische Studie belegen. Die über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg durchgeführte Untersuchung zeigt, dass Väter einen stärkeren Einfluss auf die Wahl des Ausbildungsberufes der Kinder haben als die Mütter. Und eine Studie zum Thema Schulerfolg belegt, dass Kinder, die ihren Vater in der Kindheit entbehren mussten, ein niedrigeres Leistungsniveau aufweisen als der Durchschnitt der untersuchten Personen.

Väterliche Zuwendung ist auch von hoher Bedeutung für die Entwicklung des Selbstwertgefühls und verhindert, so Fthenakis und Minsel, Verhaltensauffälligkeiten im Erwachsenenalter. Sie weisen ferner auf die Gefahr hin, dass die Abwesenheit des Vaters zur Ausbildung einer weniger ausgeprägten männlichen Identität bzw. eines schwachen männlichen Selbstkonzepts bei Jungen führen kann. Ihrer Ansicht nach haben Väter stärker als die Mütter einen direkten Einfluss auf die berufliche Laufbahn, auf das Selbstwertgefühl und in Teilbereichen auf das Sozialverhalten.

Die Ergebnisse werfen die Frage auf, warum der Einfluß der Väter auf ihre Kinder so bedeutend ist, obwohl sie doch in vielen Fällen arbeitsbedingt nur wenig Zeit mit ihren Kindern verbringen. Anscheinend sind andere Komponenten als allein das Ausmaß an gemeinsam verbrachter Zeit der Väter mit ihren Kindern für die Bedeutung der Vaterschaft entscheidend. Es kommt wohl vielmehr auf die Qualität der väterlichen Interaktion mit dem Kind an. Denn Väter, die zwar anwesend aber nicht ansprechbar sind, sind alles andere als förderlich. Allerdings ist die Länge der mit dem Kind verbrachten Zeit nicht gänzlich ohne Bedeutung für dessen Entwicklung.

Die Untersuchungen der letzten Jahre zeigen: Väter sind überaus wichtig für die Entwicklung von Jungen und Mädchen. Sie ergänzen die Mutter, sie sind „Rollen-Modelle“, Spielpartner und Lehrer für ihre Kinder.

Aus den Ergebnissen seiner Untersuchungen hat Wassilios E. Fthenakis die folgende sieben Ratschläge für Männer entwickelt:

1.
Männer sollten auf die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen. Man(n) sollte sich viel mit seinen Kinder unterhalten und sich von seinen Kindern erzählen lassen, was ihnen  wichtig ist.

2.
Man(n) sollte sich auch innerhalb der Woche Zeit für seine Kinder nehmen und Zeiten innerhalb der Woche vereinbaren, in denen das Kind seinen Vater ganz für sich hat, um mit Wünschen und Problemen zu ihm kommen zu können.

3.
Gemeinsame Aktivitäten mit der ganzen Familie sind überaus wichtig, damit das Kind erkennen kann, dass der Vater ein wichtiger Teil der Familie ist.

4.
Neben den gemeinsamen Aktivitäten sollten Väter darauf achten, dass sie mit ihren Kindern eigene Unternehmungen planen, diese ritualisieren oder als gemeinsames Hobby ausbauen.

5.
Man(n) sollte auch für das außerfamiliäre Leben seiner Kinder Interesse zeigen und z. B. an Schulfeiern und Elternabenden teilnehmen.

6.
Väter sollten ihre Kinder an ihrem Leben teilhaben lassen, indem sie ihren Kindern ihren beruflichen Alltag schildern und von ihren Hobbys erzählen und sie, soweit möglich, daran teilhaben lassen.

7.
Man(n) darf bei allen Aktivitäten rund um das Kind nicht die Partnerschaft vergessen. Eine harmonische und tragfähige Beziehung zur Partnerin ist eine Basis für eine gute Beziehung zum Kind. Auch deshalb sollte man Man(n) diese hegen und pflegen und die Wünsche und Bedürfnisse der Partnerin nicht aus den Augen verlieren.

Bleibt am Schluss noch der Hinweis, dass aktive Vaterschaft nicht nur für die Entwicklung der Kinder wichtig und förderlich ist. Sie kann dazu beitragen, die Partnerbeziehung zu festigen und Konflikte zu minimieren. Schließlich tut sie auch den Männern gut und sorgt dafür, dass mehr Leben ins Männerleben kommt. Die Männer, die sich als neue Väter in die Schule und den Kindergarten begeben, sich mit ihren Kindern auseinandersetzen und die in Beziehungsarbeit investieren, lernen ihre Gefühle besser wahrzunehmen und zu gestalten.


Literaturhinweise:
Bode, M. & Wolf, C., Still-Leben mit Vater. Zur Abwesenheit von Vätern in der Familie. Reinbek: Rowohlt, 1995
Erhard, E, & Janig, H., Folgen von Vaterentbehrung. Wien, 2003, (Text unter: www.bmsg.gv.at)
Fthenakis, W.E., Vater. Band 2: Zur Vater-Kind-Beziehung in verschiedenen Familienstrukturen. München, 1998
Fthenakis, W.E. & Rohr, R., Vater, Sohn und Männlichkeit, München: Tyrolia, 2001
Le Camus, J., Väter. Die Bedeutung des Vaters für die psychische Entwicklung. Weinheim: PVU, 2001
Kenter, H., Kinder brauchen Väter. Reinbek: Rowohlt, 1989