Gottesdienst-Ideen

Predigt-Gedanken

Vater betet

    Mit Kindern beten - Impulse für Väter
     

    Beten ist leicht
    Eigentlich bedeutet Beten doch nur: die Hände falten und mit Gott reden. Das kann doch jeder und jede. Dazu braucht niemand besondere Vorkenntnisse, kein Theologiestudium oder gar irgendwelche Bücher.
    Als ich ein Kind war, erlebte ich das ganz einfache, schlichte Gebet bei meiner Großmutter. Wenn meine Schwester und ich dort waren, dann gehörte das Abendgebet im Bett zum Tagesrhythmus dazu wie das Essen und Spielen. Meine Oma kannte viele Gebete - so schien es mir - und ganz besonders beeindruckend war es, dass sie alle diese Gebete auswendig kannte. Es waren Liedverse oder Gedichtteile. Vor allem aber waren es Texte, die den tiefen Glauben meiner Großmutter widerspiegelten. Sie lebte in einer Tradition großer Kirchlichkeit. Gottvertrauen war ihr sozusagen zur zweiten Haut geworden. Und so waren diese Gebete abends im Bett immer geprägt von einer großen Nähe und Dichte. Ich erinnere mich an das Gefühl, dass wir alle zusammen gehören und dass Gott mit dazugehört.
    Ein tiefes Gefühl von „Getragensein“ hat sich mir eingeprägt.
    Da ist dann auch das Beten nichts Fremdes, Ungehöriges oder gar Zwanghaftes. Beten wurde zu einem „Gespräch mit Gott wie mit einem Freund“. Beten war ganz leicht, weil es aus dem Leben kam und zum Leben dazugehörte.
     
    Beten ist schwer
    Heute ist nichts mehr so wie damals. Im Vergleich zu meiner Kindheit hat sich vieles für heutige Kinder und Familien verändert. Kirchlichkeit und christlicher Glaube sind nicht mehr selbstverständlich (im Sinne von: „aus-sich-selbst-heraus-verständlich“). Die Frömmigkeit meiner Großmutter war in gewisser Weise naiv, kindlich also. Und diese naive Unbefangenheit hat sich auf uns Kinder damals übertragen.
    Heute leben Kinder und Familien in viel komplexeren Beziehungsgeflechten und mit viel stärkeren Einflüssen der sozialen und medialen Umgebung. Die Traditionen christlicher Lebensformen sind weitgehend zerbrochen. Man spricht heute von der „zweiten Generation des Traditionsabbruchs“, das heißt: Kinder erleben Eltern, die selbst schon keine oder nur geringe religiöse Traditionen mitgebracht haben. Jedenfalls sind viele christliche Frömmigkeitsformen eben nicht mehr selbstverständlich. Das Tischgebet, das viele Kinder gar nicht mehr kennen, ist dafür ein untrügliches Zeichen.
    So ist das Gebet zu einer scheinbar schwierigen, unbekannten Kunstform geworden; zu einer Sache, die Überwindung kostet und Mut verlangt. Manchen Eltern erscheint das Beten mit den Kindern vielleicht sogar peinlich...

    Und die Väter?
    Den Vätern fällt das Beten vielleicht noch schwerer als den Müttern. Oft haben sie nicht die Gelegenheit, die vertraute, warme Intimität des Zu-Bett-Bringens mitzuerleben, in der sich ein Gebet mit den Kindern leichter ergibt als sonst. Oder die Männer scheuen sich, die eigene Verletzlichkeit und den eigenen Glauben zu zeigen. Gemeinsames Beten ist ja immer auch ein Aufstülpen der Seele. Ein Nach-Außen-Kehren der innersten Empfindungen. Dennoch: Ich möchte alle Väter ermutigen zum Beten mit ihren Kindern. Für mich jedenfalls wurde es zu einer Quelle der Vertrautheit mit meinen Kindern. Es ist eine Erfahrung, die meinen eigenen Glauben nachhaltig geprägt hat.

    Wir haben nicht alles in der Hand
    Beim gemeinsamen Beten wird etwas ganz Einfaches sehr deutlich: Ich vertraue mich Gott an. Nicht alles hängt von mir und meiner Kraft ab. Ich bin gehalten von Gott. Für Kinder bedeutet die Entdeckung, dass auch die Eltern nicht alles machen können, einen wichtigen Entwicklungsschritt. Eltern sind nicht allmächtig. Mama oder Papa brauchen Gott genauso wie ich. Das Gebet stiftet so die Gemeinschaft der Gott-Vertrauenden, der Glaubenden.
    Für die Kinder wird also spürbar: Wir hängen nicht nur als Familie aneinander, sondern wir gehören auch alle zu Gott und er gehört zu uns; wir verlassen uns auf Gott und fühlen uns bei ihm geborgen.

    Was ist eigentlich Glaube?
    Beim Autofahren haben Sie sicherlich schon einmal folgende Situation erlebt: Sie fahren auf einer geraden Straße leicht bergan. Sie sind diese Straße noch nie gefahren. Mit einem Mal sind sie an der Bergkuppe. Sie sehen nur noch einige Meter Straße vor sich - und danach nicht mehr als den Himmel. Aber sie glauben ganz sicher, dass die Straße hinter der Bergkuppe weitergeht, denn so böse kann doch kein Straßenbauer sein, dass er plötzlich die Straße aufhören lässt?!
    Diese Erfahrung beschreibt für mich das, was Glauben ist. Das Vertrauen und die Hoffnung darauf, dass uns hinter dem Horizont eine Zukunft erwartet. Und Beten ist dann so etwas, wie der Blick hinter den Horizont. Beten ist das Reden mit Gott, der uns unsichtbar doch ganz nahe ist, der uns nicht allein lässt.
    Dieses Gefühl der Geborgenheit, dieser Glaube, braucht immer wieder Bestätigung. Das geschieht eben auch durch das Beten. Darum sollte das Gebet nicht eine einmalige oder seltene Praxis in der Familie sein, sondern ein Ritual, das zum Leben der Familie dazugehört. Kinder erfahren durch die Wiederholung und durch die Wiederholbarkeit, die sich auch in ganz bestimmten Formen und Sprechweisen zeigt, Sicherheit und Geborgenheit.

    Kann man Beten lernen?
    Ja. Es ist zunächst ein Lernen durch Abgucken. Bei ganz kleinen Kindern, selbst bei denen, die noch gar nicht sprechen können, wird sich schnell mit dem Händefalten eine bestimmte Stimmung verbinden. Wenn diese kleinen Kinder entdecken, Mama oder Papa sind jetzt ganz dicht bei mir und sie reden zu „Gott“, dann werden sie mit der Geste des Händefaltens eine besondere Dichte und Nähe verbinden.
    Wenn Kinder größer und sprachfähig werden, lernen sie Beten durch Abgucken und Abhören. Der Sprachstil der Eltern und ihre innere Haltung werden zu einem Muster, an dem sich die Kinder orientieren. In dieser Phase ist es wichtig, wirklich ein vertrauensvolles „Reden wie mit einem Freund“ zu pflegen. Für Kinder ist es manchmal leichter, ein gereimtes Gebet zu sprechen – aber ein größeres Maß an innerer Beteiligung ist sicherlich durch frei formulierte Gebete zu erreichen.
    Es wird im Laufe der Zeit dazu kommen, dass Kinder nicht mehr am abendlichen Ritual hängen oder sich einfach für „zu groß“ halten. Ob sie dann beten und wie sie das tun, haben wir als Eltern nicht mehr in der Hand. Aber wenn wir ihnen als Fundament das vertrauensvolle „Mit-Gott-reden-können“ vermittelt haben, dann wird den Kindern das Beten vielleicht sogar lebenslang eine Selbstverständlichkeit bleiben.
    Der Glaube ist nach christlicher Überzeugung immer ein Geschenk. Wir können ihn nicht einfach anerziehen. Gott selbst wirkt dabei mit und sein heiliger Geist.
    Wir können nur den Boden bereiten: Offenheit, Freiheit und Liebe vermitteln.
    Aber das ist schon ganz viel.

    Ein paar Gedanken zu vermeidbaren „Fehlern“ beim Beten

    Machen Sie Gott nicht zum „Macher“.
    Das Gebet ist kein Wunschautomat, wo wir auf der einen Seite unseren Wunsch hineinsprechen und wo auf der anderen Seite dieser Wunsch sofort in Erfüllung geht. Gott ist nicht der Macher, der alle unsere Wünsche erfüllt. Kinder wären sehr enttäuscht, wenn ihre Wünsche nicht in Erfüllung gehen. Dieses Bild von Gott als „Wunscherfüller“ entspricht auch nicht unserem christlichen Glauben. Danach ist das Gebet nämlich mehr, es ist auch Klage, Fürbitte, Dank und Lob. Und Gott ist der, dem wir alles sagen können. Er ist größer und weiter als wir denken - und auch immer wieder anders als wir vermuten.

    Beten Sie nicht mit dem erhobenen Zeigefinger.
    Beten mit dem erhobenen Zeigefinger bedeutet: Gott wird von den Eltern als zusätzlich Miterziehender missbraucht. In dem Satz „der liebe Gott sieht alles“ drückt sich diese fatale Grundhaltung schon aus. Da wird Gott verstanden wie „big brother“, dem nichts verborgen bleibt und der dann strafend eingreift, wenn die Kinder Unfug gemacht haben. Diese Grundhaltung begründet nicht etwa Vertrauen zu Gott, sondern eher Angst vor Gott. Das kann nicht wirklich unsere Absicht sein...

    Bleiben Sie echt.
    Bleiben Sie echt, bleiben Sie sich treu - auch in Ihrer Sprache. Kinder merken sehr gut, ob das, was die Eltern sagen, auch aus der Tiefe des Herzens kommt. Gestammelte Ehrlichkeit ist beim Beten allemal besser als formvollendetes Schauspiel.

    Am schönsten wäre es, wenn Sie mit Ihren Kindern eigene Worte finden zu den Themen und Geschehnissen, die sie bewegen. Vielleicht so: „Lieber Gott, heute war ein schöner Tag. Wir haben viel erlebt. Heute war…… . Wir danken dir für diesen Tag. Amen“.

    Wenn Sie also die Hände falten und mit Ihren Kindern beten, dann nehmen Sie Gott in Ihre Mitte.
    Dazu möchte ich Ihnen Mut machen.

    Albert Wieblitz
    Leiter der Arbeitsstelle Kindergottesdienst im Haus kirchlicher Dienste
    Teile des Textes aus dem Nachwort zu: Lieber Gott, hör uns mal zu…
    Gebete von Kindern – Gebete für Kinder, Lutherisches Verlagshaus Hannover, 2003