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Predigt zu Kol 4,5 von Bettina von Kienle KOSTBAR so steht es in großen grünen Lettern auf dem Schaufenster seines kleinen Restaurants. Eigentlich ist es nur ein Imbiss, doch er läuft gut. In der Mittagspause kommen die Angestellten des nahen Amtsgerichts oft zu ihm. Weil sie sein Essen mögen. Klein, aber fein. Das, was er selbst auch mag. Was er immer auf den Tisch bringen wollte in den langen Jahren im Service der Gastronomie. Diese KOSTBAR ist sein Traum. Sie läuft gut, doch jetzt ist Feierabend. Liebevoll wischt er mit dem Lappen noch einmal über den Tresen, bevor er ihn an seinen Platz hängt. Dann löscht er die Lichter, schließt ab, ein letzter Blick zurück. Das, was er sieht, ist alles so, wie es sein soll. Zufrieden fährt er nach Hause in das Dorf, wo er sich eine kleine Wohnung genommen hat. Es ist kalt, bald fängt es an zu schneien. Er dreht die Heizung an, sie gluckert vor sich hin. Bald wird es wärmer werden im Zimmer. Er macht sich einen Tee, setzt sich auf den Sessel, nimmt die Decke, weil er immer noch fröstelt. Er greift nach dem Fotoalbum, das er sich für den heutigen Tag zurechtgelegt hat – nur wenige Bilder sind es. Da sind die Bilder seiner Brüder aus Kindertagen, ach schon lange hat er nichts mehr von ihnen gehört. Im Streit sind sie auseinandergegangen, warum eigentlich weiß er nicht mehr. Da ist Sibylle mit süßen 17, schon lang sind sie geschieden. Sie war damals schwanger mit Mike. Sein Sohn, er arbeitet als Pfleger in der fernen Großstadt. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Ja, aus Mike ist wirklich etwas geworden. Toll, wie der Junge das schafft, zu beiden Eltern hält er den Kontakt, er hat niemals ein böses Wort über den anderen verloren. Er legt das Fotoalbum weg. Zu viele Erinnerungen … manche sind nicht schön. Er rührt ein weißes Pulver in den Tee, es schmeckt neutral. Weiß, da muss er an den Kittel des Arztes denken, den er im Krankenhaus gesehen hat. Ein netter Mann, vielleicht ein bisschen übermüdet und mit zu wenig Zeit. Die Kopfschmerzen, die ihn so lange schon plagen, ja, das sei eine ernste Sache, ein Tumor… nein kein gutartiger, er wolle ihm da keine Hoffnungen machen … Er würde schnell wachsen … nein, es gäbe keine Therapie mehr, eine Operation nahezu unmöglich, da er so fest eingewachsen sei … Er weiß, was das bedeutet. Vorsichtig schlürft er an der Oberfläche des Tees. Noch ist er zu heiß. Er will alles auf einmal trinken, damit es auch wirkt. Dafür hat er die Medikamente gesammelt und Schmerzen ausgehalten. Er sieht das Gesicht des Bestatters vor sich. Schreckgeweitete blaue Augen, als er ihm sagt, wann und wie seine Beerdigung sein soll. Am 2. Januar im Friedwald. Wenn das neue Jahr, die neue Zeit angefangen hat. Bis dahin werde er es geschafft haben. Als der Bestatter sich von dem ersten Schrecken erholt hat, fragt er nach, warum er denn nicht in die Schweiz gehe, sondern alles alleine mache. Ein bitteres Lachen ist die Antwort. Soviel gibt die KOSTBAR nicht her, auch wenn sie ihm kostbar ist. Er gibt ihm noch einen Zettel mit den Angehörigen, die zu verständigen sind. Und einen Schlüssel, damit er ihn aus der Wohnung holen kann. Morgen, wenn alles vorbei ist. Auf dem Tisch liegt seine Konfirmationsurkunde. Die hat er noch hervorgekramt, weil der Bestatter ihn fragte, ob er einen Pfarrer zur Beerdigung wünsche. Ja, das wollte er doch auch. Und für den Pfarrer wäre ein Bibelspruch schön … zur Bestattung. Da liegt sie, selten hat er sie angesehen. „Kostet die Zeit aus“ steht da mit einer schönen Handschrift geschrieben. Und Kol 4,5, was auch immer das heißen mag. Ja, das hat er gemacht. KOSTBAR war seine Zeit, wie das Beste, was er in der letzten Zeit gemacht hat. Nicht immer einfach, nicht immer schön, aber umso kostbarer war seine KOSTBAR. Da war alles so, wie er es immer wollte: Gutes Essen, gute Lage, gute Kunden. Mehr wollte er nie. Das Beste, was er je gemacht hat. Noch einmal ist er durchgestartet, hat alles auf eine Karte im Leben gesetzt. Und diesmal war es ihm geglückt … Alles lief so gut. Nun ist der Tee lauwarm. Perfekt temperiert Kostet die Zeit aus …