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Mach das Beste aus der Zeit Predigt zu Kol 4,5 von Christoph Maser Mach das Beste aus der Zeit. Der Satz begegnet mir im Kolosserbrief: Mach das Beste aus der Zeit, so steht dort im 4. Kapitel, im fünften Vers. Einfach so. Fast ein bisschen hintenangestellt: Mach Das Beste aus der Zeit. Im ersten Moment Widerstand Im ersten Moment erzeugt der Satz Widerstand bei mir; eigentlich sogar Ärger. Er klingt so ein bisschen nach Mens Health Coverstory: Macht das Beste aus deiner Zeit, wenn du schon nur 20 Minuten am Tag hast, um zu trainieren. Hier im Heft findest du unseren Plan… wir kennen das. Oder er klingt nach Zeitplanungsratgeber: Du bist Vater. Du bist Ehemann. Du bist erwerbstätig. Du musst dich um deinen Körper kümmern. Um all das hinzukriegen, musst du das Beste aus der Zeit herausholen. Unser Buch verrät dir… und so weiter. Aber, wenn ich ehrlich bin, kommt der Widerstand gegen diesen Satz aus einer ganz anderen Richtung. Er berührt nämlich einen wunden Punkt in mir. Nämlich die Erkenntnis, dass Zeit endlich ist. Die Erfahrung der Endlichkeit Ich bin 41 Jahre alt, da sollte man meinen, man steht mitten im Leben. Statistisch gesehen ist das aber anders. Als Mann hab ich in Deutschland im Jahre 2021 durchschnittlich 78,9 Lebensjahre. Da frage ich mich: Ist schon mehr Lebenszeit vergangen als noch vor mir liegt. Befinde ich mich noch in der ersten Halbzeit. Oder spiele ich schon Zweite Halbzeit? Ich sehe die Endlichkeit bei meinen Eltern. Die waren mal das Symbol der Unsterblichkeit für mich. Unantastbar, unerschütterliche Felsen in der Brandung von Zeit und aller Gewalten. Jetzt merke ich ihnen an, dass das eine oder andere nicht mehr geht. Manche Gespräche drehen sich um Altenheime, um Vorsorgeverfügungen oder um „Wenn es einen von uns mal nicht mehr gibt.“ Ich erlebe die Endlichkeit in meinem Freundeskreis. Lebensgefährliche Krankheiten. Suizid. Ein tödlicher Unfall von jemandem, der nur wenige Jahre älter ist als man selbst. Manche sind in meinem Alter und doch die Ältesten in ihren Familien. Ich erlebe die Endlichkeit an mir selbst. Meinen Körper steckt nichts mehr so gut weg, wie noch mit Mitte 20. Ständig tut was weh. Ich habe in den letzten Jahren mehr Zeit beim Arzt verbracht als auf Partys. Ich sehe die Endlichkeit sogar im Leben mit meinen drei Kindern. Die Älteste macht demnächst Schulabschluss. Dabei hängt hier noch das Bild von ihrem Schulanfang. Und es ist gar nicht so lange her, dass Bibi Blocksberg Hörspiele das Haus beschallt haben. Jetzt hört sie HipHop, ich nerve und wir suchen nach Praktikumsstellen. Selbst der Jüngste mit seinen 8 Monaten, der eigentlich noch so nah an seiner Geburt ist, zeigt mir auch jeden Tag, dass die Zeit voranschreitet. Jeden Tag feiern wir beide viele kleine Abschiede miteinander. Dass der Body mit dem Hasen nicht mehr passt, in dem er aus dem Krankenhaus kam. Dass wir wieder eine größere Windelgröße brauchen. Dass er jetzt, wo er krabbeln kann, nicht mehr stundenlang auf Papas Bauch liegen möchte – sondern lieber die Welt entdeckt. Mach das Beste aus der Zeit, denn sie ist endlich. Der Predigttext Jetzt, wo ich weiß, dass der Kolosserbrief mit diesem Satz seinen Finger in die Wunde legt, lese ich diese fünf Verse immer und immer wieder. Ich würde dort so gerne etwas Tröstliches finden. Sonst kennt die Bibel so manch gute Nachricht, wenn es so meine Zeit und ihre Endlichkeit geht. Gott, der der Herr der Zeit ist. Meine Zeit, die in seinen Händen liegt. Gott, der eine neue Zeit beginnt, als er seinen Sohn auf diese Welt sandte. Gott, der die Zeit vollendet und der ihr ein Ziel gibt. Irgendetwas in dieser Art, das diesem bitteren Stachel der Sterblichkeit die Schärfe nimmt, würde ich gerne in diesen fünf Versen lesen. Doch ich gehe leer aus. Ethik statt Trost. Imperativ statt Zuspruch. Also suche ich weiter. Nicht Trost, denn den gibt es in diesen fünf Versen nicht. Aber ich will zumindest verstehen, warum dasteht, was da steht - im 4. Kapitel des Kolosserbriefs, in den Versen 2 bis 5: 2 Hört nicht auf zu beten. Bleibt dabei stets wachsam und voller Dankbarkeit! 3 Betet dabei zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür für sein Wort öffnet. Mit ihm verkünden wir das Geheimnis, dass Christus bei euch gegenwärtig ist. Wegen dieser Botschaft bin ich in Haft. 4Betet auch, dass ich es anderen so enthüllen kann, wie mein Verkündigungsauftrag es erfordert. 5Begegnet den Außenstehenden mit Weisheit. Macht das Beste aus eurer Zeit! 6Eure Rede sei stets freundlich und mit einer Prise Salz gewürzt. Denn ihr müsst wissen, wie ihr jedem eine angemessene Antwort geben könnt. (Übersetzung nach Basisbibel) Ein Sammelsurium Der Text aber behält auch nach dem xten Lesen seine Geheimnisse für sich. Die Verse wirken auf mich unzusammenhängend, isoliert, unfertig. Ein Sammelsurium, ein Was ich noch zu sagen hätte… Immerhin bin ich nicht allein mit meiner Ratlosigkeit. In allen biblisch-exegetischen Kommentaren habe ich von vielen Fragezeichen gelesen. Hätte es vor 2000 Jahren schon Spiegelstriche gegeben oder Aufzählungszeichen, wahrscheinlich hätten wir sie hier gefunden. Mit voneinander gedanklich getrennten Empfehlungen über Beten und Fürbitte, eine biographische Notiz von Paulus (aber ob er das wirklich selbst geschrieben hat…), eben dieser eine Satz, der mich so beschäftigt, usw. Irgendwie entsteht in mir das Bild, dass ich in einem abfahrenden Zug sitze. Und irgendjemand, der etwas Wichtiges und Gutes zu sagen hätte, rennt neben meinem Abteil am Bahnsteig entlang und ruft mir gegen den Lärm um uns herum atemlos noch letzte Ratschläge und Gedanken zu, die aber nur Fragment bleiben können. Und so füge ich mich dem Umstand, dass meinen Fragen nach dem Sinn und Unsinn wohl unbeantwortet bleiben. Eine unerwartete Antwort auf eine schlummernde Frage Es vergehen einige Tage. Und wie das nun mal so ist, man findet etwas, weil man nichts mehr sucht. Auf einmal beginnen die 5 Verse noch einmal ganz anders zu mir zu sprechen. Unerwartet – unter der Dusche. Es passiert irgendwie immer unter der Dusche - geben sie fast augenzwinkernd - so als hätte ich endlich lange genug mit ihnen und mir gerungen - Einblicke in sich. Und schenken mir etwas. Mach das Beste aus der Zeit… Die Mahnung vor der Endlichkeit, dieses Memento Mori, verändert sich, wird unvermittelt zu einer guten Aufgabe und zugleich zu einer Ermutigung. Und bevor ich überhaupt fragen kann, wie ich das Beste aus meiner Zeit machen kann, haben sie es mir schon erklärt: Lies uns zusammen! Mach deine Frage zur Brille, durch die du uns anderen Verse liest. (V2) Höre nicht auf zu beten, sagt mir der Text und meint damit: Hör nicht auf, mit deinem Gott in Kontakt treten zu wollen, nur weil du es beruflich so oft machst; nur weil du in manchen Gebeten, in diesen wortgewaltigen, poetischen Gebilden ebenso wie in den freien, wortesuchenden keinen Zugang zu deinem Schöpfer findest; nur weil du manchmal das Gefühl hast, mehr mit einer Projektion als mit dem Höchsten zu reden. Hör nicht auf zu beten. Denn er hört dich in jedem Atemzug, in jedem Seufzen, in jedem Fluchen… sogar unter der Dusche. (V2) Sei voller Dankbarkeit, sagt mir der Text und meint damit: Erinnere dich immer wieder, was du geschenkt bekommen hast; wie es mal war und wie gut es jetzt ist, wie gesegnet und beschenkt du bist. Und schmiere dir dann ein bisschen Demut vor dem Geschenkten und dem Schenker unter die Nase. Das macht den Kopf frei von dummen Gedanken wie Pfefferminze die Nase. (V3) Denk an die, die dir anvertraut sind und die du für dich erwählt hast. In deinem Ringen um Gott, lass es nicht immer nur um dich gehen, sondern auch um die um dich herum. Denn das vergesse ich doch öfters ganz gerne. (V3) Und hör nicht auf die Tür zum Evangelium aufzustoßen; Beruflich in deinem Reden und Unterrichten, im Zuhören und Zuwenden, aber auch privat. Denn du erlebst den Glauben als so reich und gut und wohltuend und heilsam. Sei also nicht egoistisch und behalte ihn nur für dich – aus Bequemlichkeit, weil die jetzt nicht schon wieder dieses eine Gespräch über die immer selben Themen führen magst, oder aus Selbstschutz, weil du dann wieder doof angeschaut wirst. (V5) Begegne den Außenstehenden mit Weisheit und nicht mit Vorsicht, nicht mit Distanz, nicht mit Urteil und Vorurteil. Sondern mach dich offen im Herzen und im Kopf. Und sortiere nicht gleich immer jeden in Schubladen ein. Und wenn du versuchst, diesen Ratschlägen zu folgen, dann sollte es dir eigentlich möglich sein, das Beste aus der Zeit zu machen. Selbst wenn etwas schief geht oder du scheiterst, sei unbesorgt. Du kennst ja so manch Gute Nachricht von Gott.