Väter im Spannungsfeld – Aktive Vaterschaft und berufliche Eingebundenheit in Konflikt
Peter M. ist 38. Er arbeitet in einem kleinen mittelständischen Unternehmen als Elektriker. Seit drei Jahren ist Peter Papa und berichtet mit leuchtenden Augen von seinem Sohn, der sein Leben total auf den Kopf gestellt habe. Der Wunsch, möglichst viel Zeit mit seinem Kind zu verbringen und die Notwendigkeit mit seiner Frau die ökonomischen Basis für die kleine Familie sicher zustellen, ist schwierig zu vereinbaren. „Ich habe nun mal Arbeits- und Bereitschaftszeiten und muss flexibel dem Arbeitsprozess zur Verfügung stehen. Mein Chef sieht zwar mein Problem – aber wer soll denn in unserem kleinen Betrieb einspringen, wenn ich ausfalle“, so Peter M.
Ludwig K. ist Alleinverdiener und arbeitet in einem größeren Unternehmen als leitender Angestellter. Den nach Geburt des ersten Kindes gegenüber seinem Chef formulierten Wunsch nach einem Abbau von Überstunden hat dieser quittiert mit der lapidaren Bemerkung, dass sich Engagement auch durch Präsenz ausdrückt. „Wir brauchen Sie mit vollem Einsatz – wenn sie für ihre Arbeit keine Zeit haben, müssen wir uns eben nach jemand anderem umsehen“. “Mir ist unmissverständlich klar gemacht worden, dass hier kein Platz für Spielräume und Diskussion ist, ohne die wirtschaftliche Grundlage meiner Familie zu gefährden“, so Ludwig K..
In den letzten Jahren ist viel über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geredet worden. Zumeist richtete sich die Diskussion an Frauen - Männer waren lediglich die Adressaten von Appellen, in denen zu mehr Familienengagement aufgefordert wurde. „Männer entscheiden sich für den Beruf, da sie Karriere machen wollen - die Hinwendung zur Familie geht einher mit Karriereverzicht. Das wollen die Männer nicht “, so eine engagierte Teilnehmerin am Rande einer Bildungsveranstaltung zur Vereinbarkeitsdiskussion. Die Formulierung findet sich so oder ähnlich in vielen Gesprächsrunden und Diskussion wieder. Bei dieser Einschätzung bleibt unberücksichtigt, dass viele Männer beim Thema Berufstätigkeit weit weniger ihre eigene Karriere im Blick haben, als die Sorge im Arbeitsprozess zu bleiben. Dieser Sachverhalt erfährt eine besondere Zuspitzung angesichts zahlreicher und mittlerweile alltäglicher Kürzungs- und Spardiskussion in deutschen Unternehmen und Behörden.
Vor diesem Hintergrund klingt es dann auch fast zynisch, wenn man Männern pauschal den Wunsch nach Aufstiegsmöglichkeiten und Karriere vorwirft und gleichzeitig Karrieretrainings für Frauen fordert und fördert. Kariere ist wichtig, so die doppeldeutige Botschaft, aber Männer sollen für mehr Familie darauf verzichten.
Nach wie vor ist es so, dass sich das männliche Selbstbild sehr stark über berufliche Erwerbstätigkeit definiert. Die Sparkassenwerbung „Mein Haus, Mein Auto, mein Boot“ suggeriert in den Konsequenzen ein Werte- und Männlichkeitsbild, das den beruflichen Erfolg in den Vordergrund stellt. „Der hat es zu was gebracht“, „Der hat was aus sich gemacht“, „Der kann sich was leisten.“ Trotz dieser schwierigen Ausgangsbedingungen finden sich in den Veranstaltungen der Männerarbeit zunehmend mehr Männer, die auf der Suche nach befriedigenden Spielräumen sind. Sie brauchen Unterstützung, um die Diskrepanz zwischen vorfindbaren Realitäten und unerfüllten Wünschen auszuhalten. Sie suchen nach Anregungen, Hilfestellungen und Austausch mit anderen Vätern, um ihre Vorstellungen nach engagierter Vaterschaft mit Leben auszufüllen. Sie wollen häufig mehr väterliches Engagement, so zeigen viele Gespräche mit Vätern insbesondere im Kindertagesstättenbereich und müssen sich doch zumeist mit den wenigen beruflichen Spielräumen arrangieren.
Mittlerweile finden in zunehmend mehr Kindertageseinrichtungen gezielte Angebote für Väter und Kinder statt. In Westfalen haben sich zudem Akteure der Ev. Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (EAF), der Ev. Jugendarbeit, der Ev. Männerarbeit, der Ev. Beratungsstellen, sowie der Ev. Erwachsenen – und Familienbildung zusammengeschlossen, um den Begriff „Väterfreundlichkeit“ im Zusammenhang mit Ev. Kindertageseinrichtungen zu definieren und zu beschreiben. Visitationen in Einrichtungen sind angedacht, um konkrete Hilfestellungen bei dem Prozess anzubieten – eine Dokumentation der Ergebnisse als Basisunterstützung für andere Einrichtungen ist vorgesehen.
Väter brauchen Unterstützung durch begleitende Angebote und qualifizierte Erfahrungs- und Erlebnisräume mit ihren Kindern – insbesondere dann wenn berufliche Spielräume zu wenig Raum bieten oder schlichtweg nicht vorhanden sind. Der alleinige Verweis auf gesetzliche Möglichkeiten hilft – so zeigen Erfahrungen aus der Praxis – oft nicht weiter. Die Teilnahme an kontinuierlichen und verlässlichen Vater-Kind-Angeboten ist für viele Väter ein Kompromiss, um den unvermeidlichen Ansprüchen der Berufswelt und dem Wunsch nach aktiver Vaterschaft zumindest ansatzweise näher zu kommen. Die zunehmend wachsenden Teilnehmerzahlen an solchen Angeboten und zahlreiche Gespräche mit Vätern bestätigen dies.
Die unterschiedlichen Angebote für Väter und Kinder unterscheiden sich im wesentlichen in ihrer Dauer, in den angebotenen Inhalten, in ihrer Intensität an Erlebnissen und Austausch, im Anspruch Väter bei der Entstehung und Gestaltung zu beteiligen und im konzeptionellen Ansatz den gemeinsam erlebten Prozess mit den Kindern in besonderen Väterrunden kreativ zu reflektieren und Alltagsbezüge herzustellen.
Folgende beispielhaft aufgeführte Angebote haben sich in den letzten Jahren in den Arbeitsfeldern der Männerarbeit sehr bewährt.
1. Vater-Kind-Tage
Von Morgens bis Abends sich über die kreative Auseinandersetzung mit einem Thema (Indianer, Piraten, Natur entdecken, Miteinander und Gegeneinander usw.) bei unterschiedlichen Aktivitäten näher kommen, sowie in Gemeinschaft mit anderen Vätern und Kindern einen (zeitlich überschaubaren)Tag zu verbringen - dies alles sind wesentliche (niedrigschwellige) und attraktive Kriterien für den Erfolg von Tagesveranstaltungen. Varianten dieser Vater-Kind-Tage finden sich auch in gemeinsamen Ausflügen zu besonderen Orten die für Väter und Kinder interessant sind. Der Austausch über Motive und Ziele, sowie die konkrete Planung findet an einem oder zwei organisierten Vorbereitungstreffen mit den Vätern statt. Eine besondere Form eines Vater-Kind-Tages ist die Gestaltung eines Vater-Kind-Festivals.
2. Vater-Kind-Nächte.
Väter und Kinder verbringen entweder an einem fremden Ort wie z.B. in einer Tagungsstätte oder einem Zeltplatz oder unmittelbar in oder auf dem Gelände der Kindertageseinrichtung (z.B. in Zelten) eine abenteuerliche Nacht. Eine erlebnisreiches mit den Vätern gestaltetes Programm mit ruhigen und bewegten Anteilen trägt zur Intensivierung des Kontaktes zwischen Vätern und Kindern bei. Der Austausch der Väter untereinander wenn die Kinder schlafen ist ein wichtiger integraler Bestandteil. Ein Beispielprogramm für eine solche Lange-Vater-Kind-Nacht findet sich unter folgendem Link: Aktion 2007
3. Vater-Kind-Wochenenden.
Väter verbringen mit ihren Kindern ein gemeinsames Wochenende in einer Tagungsstätte. Die Wochenenden werden im Rahmen von zwei Vortreffen gemeinsam mit den Vätern geplant. Ein Nachtreffen rundet die „Vätergruppe auf Zeit“ ab. Väterrunden im Rahmen des Seminars auf Grundlage der Familienbildung haben ein festen Platz. Fasst man zeitlich die Planung, die Durchführung und die Nachbereitung zusammen, so ergeben sich viele Ansätze mit den Vätern über ihr Vatersein ins Gespräch zu kommen. Allein in Westfalen finden jährlich über 50 solcher Seminare z.B. in Kooperation mit Kirchengemeinden, Familienzentren, Kindertageseinrichtungen usw. statt. Tendenz steigend.
4. Erlebnispädagogische Vater-Kind-Wochen oder Wochenenden.
Väter und Kinder verbringen gemeinsam mit anderen Väter und Kindern eine Woche oder ein Wochenende in einem Kanu oder auf einem Schiff. Diese Angebote richten sich in der Regel an etwas ältere Kinder (ab 10 Jahren). Das Ijsselmeer und viele geeignete Flüsse in Deutschland stehen als Erfahrungsräume zur Verfügung. Die gemeinsame Gestaltung des Tages und die Bewältigung der gestellten Aufgaben in einem fremden Lebensumfeld verdichten die Beziehung zwischen den beteiligten Vätern und Kindern. Neben den Segel- und Kanuangeboten sind auch Kletterwochenenden sehr gefragt. Der Blickpunkt der Arbeit richtet sich neben den Erlebnisinhalten insbesondere auf den Austausch über das Erlebte und die neu gewonnenen Erfahrungen im Miteinander.
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