Volker A. Lehnert
Erziehungsverantwortung - biblische Aspekte zur „Vaterschaft“


Das Thema kann nur andeutungsweise behandelt werden. Groß ist der geschichtliche Zeitraum, umfangreich die zu befragenden Texte, zu überwinden der berüchtigte ‚garstig breite Graben der Geschichte’ (Lessing), unerlaubt der direkte und unvermittelte Übertrag in heutige sozialpsychologische Kontexte. Dennoch wagen wir es, notgedrungen unter dem Vorzeichen des unausweichlich Fragmentarischen.


Altes Israel

Freiheit ermöglichen: Väter klonen ihre Kinder nicht, sondern unterstützen sie dabei, ihre eigene Identität zu finden.

Der Vaterbegriff fungiert in der Hebräischen Bibel einerseits als Identität stiftendes Symbol des Woher und des Wohin menschlicher Existenz. Stiftete der Glaube an den ‚Gott der Väter’ die universale Sinngebung durch Einweisung in einen spezifischen Lebensraum, das ‚Land der Väter’, und schuf auf diese Weise eine kollektive Identität durch Verwurzelung, so war die Perspektive des Glaubens zugleich auf die Erwartung von Gott geschenkter Zukunft gerichtet, wie die Abrahams- und Exodustraditionen zeigen (Gen 12,1; Ex 3,17). Die durch Unterweisung in der Thora („Wenn dich dein Sohn fragt...“ Ex 13,14; Dtn 6,20f) vollzogene Rückbindung (lat. religio) an das eigene Woher führt nicht zur biographisch erstarrter Einnistung, sondern weist ein in neue, auf Zukunft ausgerichtete Existenzmöglichkeiten. Entsprechend führte im alten Israel der väterliche Erziehungsauftrag gerade nicht in die ‚Knechtschaft’ der Thora, sondern umgekehrt, in die ‚Freiheit’ der Thora, einer Bewegung, die später als Auszug aus der Unmündigkeit (Kant) aktualisiert werden wird. Dass die Bibel zugleich vom möglichen Misslingen der Erziehungsarbeit erzählt (1Sam 2,12ff; 8,1ff) , belegt ihren Realitätssinn. Der Erziehungsauftrag von Vätern besteht demnach nicht darin, sich selbst zu kopieren, sondern Kindern Wege zur Entfaltung und Entwicklung eigener Identität zu ebnen. Dabei führt die Rückbindung an eine über-geordnete Instanz (Gott) paradoxerweise zur Freiheit von allen relativen Instanzen (Ideologien). 

Gerechtigkeit realisieren: Väter sollen ihre Kinder ‚ohne Ansehen der Person’ als Person betrachten

Misslingt der gerechte Vollzug von Liebe, entsteht seelischer Schaden. Ein Beispiel gegen einseitige Bevorzugung findet sich in der Josefsgeschichte (Gen 37-50). Ja-kob liebte und versorgte alle seine zwölf Söhne, einen aber „hatte er lieber als alle“, Josef (Gen 37,4). Solche ungerechte Zuwendung generiert den Egozentrismus des Übergeliebten sowie den Neid seiner Umwelt. So wurden ihm seine Brüder „feind und konnten ihm kein freundliches Wort sagen“ (37,4). Lieblingskinder Kultivieren wirkt sich kontraproduktiv aus, weil es das Gegenüber unter dem Vorwand besonde-rer Zuwendung schädigt. Hinter solcher Zuwendung verbirgt sich in Wahrheit sich selbst spiegelnder Narzissmus. Dem entspricht die biblische Auffassung von Gerech-tigkeit als ‚Gemeinschaftsgerechtigkeit’ , die der Sozialität als Ganzer gerecht wer-den will. Gerechte Liebe sieht somit den anderen ohne ‚Ansehen der Person’ als Person an (vgl. Röm 2,11). Dies ist nicht unwichtig für eine gelingende Vaterschaft.

Reibungsfläche bieten: Väter müssen mit sich ringen lassen

In Gen 32,23-33 findet sich eine eigentümliche Überlieferung. Jakob kämpft am Fluss Jabbok mit Gott, hier personifiziert als Engel. Nachdem die beiden heftig miteinander gerungen haben, ruft Jakob: „Ich lasse Dich nicht, du segnest mich denn!“ (V.27). Diese Geschichte steuert gleich drei Aspekte zum Thema bei, jedenfalls dann, wenn man in der Engelsgestalt psychoanalytisch den ‚Vater’ symbolisiert sieht. Erstens: Der Vater schenkt dem Vorankommen seines Kindes die vollste Aufmerksamkeit bis hin zur Bereitschaft zur Auseinandersetzung. Konfliktscheue wäre lieblos, denn sie gehört auf die Seite als Toleranz getarnter Gleichgültigkeit. Zweitens: Der Sohn sucht seine Identität gerade in dieser Auseinandersetzung mit dem Vater. Er reift an dessen Widerstand und befördert seine Ich-Entwicklung durch Reibung am bisher über ihn herrschenden Über-Ich. Seine Suche nach dem ‚Größen-Selbst’ (Nipkow) erreicht ihr Ziel genau in dieser Reibung. Drittens: Kinder brauchen die bleibende Anerkennung ihrer Väter. Die Problematik des Bestehens vor dem Forum des eigentlich klonen-wollenden Vaters gehörte schon immer zu den großen psychodramatischen Themen der Menschheit. Wir erinnern nur an die Vatermordtheorie Sigmund Freuds oder an die innere Auseinandersetzung Martin Luthers mit seinem Vater, der ja bekanntlich aus Sohn Martin einen Juristen machen wollte, einer Erwartung, der Martin auf Dauer nicht entsprechen, d. h. nicht „gerecht“ werden konnte. Möglicherweise verbirgt sich in seinem klösterlichen Hass auf den himmlischen ‚Vater’ neben anderen Faktoren ein solcher verschobener irdischer Vaterkonflikt. Nachdem er Gott durch Christus als ‚liebenden Vater’ erkannt hatte, war es ihm, als wäre er „durch die geöffneten Pforten ins Paradies selbst eingetreten“ . Luther fand sein Leben. Dies entspricht der Erfahrung Jakobs. Dieser behielt zwar Narben aus dem Kampf zurück (V.32), aber auch er hatte „gewonnen“ (V.29). Was? Seine Identität, denn von nun an hieß er „Israel“ (V.29). Väter dürfen keine Auseinandersetzungen scheuen. Sie dürfen dabei aber nicht sich, sondern müssen ihre Kinder im Blick haben. Der Liebe geht es um deren Training zur Reife, nicht um elterliche Macht. Väterliche Wertschätzung besteht in der positiven Würdigung der jungen Ich-Bildung durch Reibung und Ablösung. Paradox formuliert: Verantwortungsvolles Loslassen befördert liebevolle Bindung.         


Jesus von Nazareth und die Vaterschaft Gottes

Bekanntlich benutzte Jesus zur Anrede Gottes den aramäischen Ausdruck „Abba“, am ehesten zu übersetzen mit „Papa“ oder „Vati“. Das Fehlen von echten Analogien für solch eine vertrauliche, ja geradezu intime Gottesanrede weist auf eine glaubwürdige Erinnerung an die historische Stimme Jesu.  Charakterisierte Jesus seine Gottesbeziehung als ‚Vater-Kind-Beziehung’, so zeigt dies dessen hohe Wertschätzung von Vaterschaft, ansonsten hätte er wohl eine alternative Metaphorik favorisiert.

Selbstverständlich darf diese Metaphorik nicht überzogen werden, schon gar nicht als moralisches Ideal väterlicher Erziehung. Denn in diesem Fall bestünde die ideale Vaterschaft in der grenzenlosen Bereitschaft, seine Kinder „dahinzugeben“, was eine fatale Folge von unerlaubter Ontologisierung metaphorischer Rede wäre. Schon in Gen 22,1-19, der berüchtigten Erzählung von der ‚Opferung Isaaks’, setzt Gott höchstpersönlich diesem Missverständnis ein unmissverständliches Nein entgegen.

Dennoch: Der Sprachgebrauch Jesu belegt eine grundsätzlich positive Konnotation des Vaterbegriffes. Darüber hinaus lassen sich weitere Aspekte finden:


Treue gewährleisten: Väter lassen ihre Kinder los, aber sie verlassen sie nicht

Am Kreuz ruft Jesus: „Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mk 15,34). Die existenzielle Katastrophe bestand für ihn offensichtlich weniger im bevorstehen-den Tod als in seiner verzweifelten Angst, sein ‚Vater’ habe ihn verlassen, eine Be-fürchtung, die Gott in der Auferweckung widerlegt. Von den eigenen Eltern aufgege-ben zu werden, gehört zum Schlimmsten, was wir Kinderseelen antun können. Dabei sind die Grenzen zwischen Vernachlässigung und Missachtung fließend. Alexander Mitscherlich hat einst die Folgen einer „vaterlosen Gesellschaft“ in einer nach wie vor aufschlussreichen Monographie beschrieben . Treue und Verlässlichkeit gehören daher ebenfalls zu den konstitutiven Elementen eines biblisch orientierten Vaterbildes.

Eigenverantwortung ermöglichen: Väter halten ihr Kind auf Dauer im Blick, nicht an der Hand

In Diskussionen über das Gleichnis vom verlorenen Sohn, von J. Jeremias übrigens als Parabel von der ‚Liebe des Vaters’ (Lk 15,11-32) bezeichnet , wird oft die Frage gestellt, wie sich eigentlich eine Mutter in dieser Situation verhalten hätte? Hätte sie auch abgewartet wie dieser Vater? Oder wäre sie ihrem Sohn hinterher gegangen, um ihn heim zu holen wie jene russischen Mütter, die ihre Söhne weiland aus dem tschetschenischen Kriegsgebiet herausholen wollten? Die Frage ist müßig, denn wahrscheinlich gibt es solche und solche unter Müttern und Vätern. Der Vater im Gleichnis geht seinem Sohn nicht nach, aber er symbolisiert die bleibende Vaterschaft bei einseitig gekündigter Beziehung. Selbst wenn die Beiden ihr Leben lang nicht mehr miteinander kommuniziert hätten, sie wären doch Sohn und Vater geblieben. Vaterschaft ist nicht kündbar, nur ihre Ausführung kann verweigert werden. Patchworkfamilien wissen, was dies heißt: bleibende Elternschaft bei unterbrochenen Beziehungen.  Der Vater im Gleichnis hält die Beziehung andockfähig für einen Neuanfang. Er behält sein Kind im Blick, nicht aber an der Hand. Er billigt ihm zu, die Fehler seines Lebens selber machen zu dürfen. Er ist für sein Kind da, aber er kann nicht dessen Leben leben. Das muss jede und jeder selber tun, mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Der Kuchen muss immer aus der Form! Auf genau diese Weise sind Väter in nicht unerheblichem Maße an der Entwicklung von Stärke und aufrechtem Gang beteiligt. Overprotectors fördern Ängstlichkeit, denn sie signalisieren: Ohne meine Hilfe bist du hilflos! Väter gewähren Freiraum, weil sie im Risiko der Freiheit eine Chance zur Reifung wittern. 

Schutz bieten: Väter kämpfen für ihre Kinder

In Joh 4,43-54 finden wir eine Variation der Erzählung des Hauptmanns von Kapernaum. Trat dort ein Hauptmann bei Jesus für die Heilung seines Knechtes ein, so hier ein ‚Königlicher’ für die Heilung seines Sohnes. Eine ähnliche Geschichte ist überliefert in Mk 5,22ff, in der ein Vater für seine Tochter eintritt. Hier kämpfen Väter für und um ihre Kinder. Sie treten für sie bei Gott ein, suchen für sie Hilfe, ringen um ihr Leben. Leben und Wohlergehen ihrer Kinder machen Sie zu ihrer ureigensten Sache. Und heute? Wie viele Väter begleiten ihre Kindern zum Arzt, gehen zum Elternabend des Kindergartens oder zum Elternsprechtag in die Schule? Aber so wie es aus der Familie in den Beruf flüchtende Väter gibt, so gibt es auch solche, die um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ringen und unter der entsprechenden partiel-len Unvereinbarkeit leiden. Nach einer neuen Studie des Münchner Väterforschers Wassilios Fthenakis gehören zur ersten Gruppe 34% aller Männer, zur zweiten in-zwischen aber 66%.  So übernehmen liebende Väter Verantwortung für Ihre Kinder und bieten Ihnen Schutz.   

Verantwortung übernehmen: Vaterschaft ist mehr als biologische Erzeugerschaft

Vaterschaft umfasst nicht nur die biologische, sondern auch die psychosoziale Dimension. Josef musste nach menschlichem Ermessen davon ausgehen, dass Maria unehelich schwanger war, und er jedenfalls nicht der Vater war. Erst durch eine persönliche Engelsunterweisung wird er über die göttliche Hintergrundregie informiert (Mt 1,18-25). Daraufhin nimmt er seine Rolle in dieser himmlischen Dramaturgie an. Er übernimmt die irdische Vaterschaft Jesu. Vatersein impliziert eben wesentlich mehr als bloße biologische Erzeugerschaft. Vaterschaft muss bewusst angenommen werden. Wird sie verweigert, bekommen wir mit den bereits erwähnten Implikationen der ‚vaterlosen Gesellschaft’ zu tun. Erfahren Kinder keine liebenden Väter, werden sie diese ihr Leben lang suchen. Fanatische Religiosität oder Anfälligkeit für Ideologien des ‚starken Mannes’ können die Folge sein. Beides gilt es zu verhindern. Wodurch? Unter anderem durch eine verantwortungsvoll gelebte Vaterschaft. Ein Vater muss auch ‚dem Geiste nach’ (vgl. Röm 2,29) ein Vater sein. Der inneren Verletzung durch den Übervater (Moser) entspricht nämlich die emotionale Verunsicherung durch den abwesenden Vater (Mitscherlich).


Zeugnisse der frühen christlichen Gemeinden

Würde achten: Väter respektieren ihre Kinder

Patriarchiale Machtlust ist nicht Vaterschaft. Im römischen Reich hatten Sklaven teilweise mehr Rechte als Kinder. So bemerkt Dionys von Halikarnassus, dass „Griechen die Römer als grausam und hart betrachteten“, weil römische Väter nahezu uneingeschränkte Vollmachten über ihre Kinder besaßen. Ein Sklave konnte nur einmal verkauft werden, ein Kind dagegen mehrfach. Demgegenüber gilt in jungen Christengemeinden: „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn“ (Eph 6,4). Die sogenannten Haustafeln kodifizieren christlichen Geist in stoischem Sprachgewand zu Handlungsprämissen familiären und gemeindlichen Zusammenlebens. Gegenüber den rauhen römischen Erziehungssitten wird väterliche Gewalt ausdrücklich eingegrenzt. Sie sollen nicht an ihren Kindern Wut auslassen. Hier wird Kindern die Menschenwürde zugesprochen!  In der Variation Kol 3,21 heißt es: „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht, dass sie nicht scheu [bzw. mutlos] werden“. Angst ist kein Erziehungsmittel und Entmutigung kein Erziehungsziel. Väter sind aus christlicher Sicht der Menschenwürde ihrer Kinder verpflichtet. Sowohl ihre Persönlichkeit als auch ihre Intimsphäre sind zu achten. Väter sind gehalten, Verletzungen ihrer Kinder zu vermeiden.    

Leiten heißt anleiten: Väter nehmen ihren Erziehungsauftrag war

Hebr 12,4ff zitiert einen berüchtigten Vers aus dem Sprüchebuch: „Wer seinen Sohn liebt, der züchtigt ihn“. Unheilvoll hat diese Stelle in der Geschichte christlicher Pädagogik gewirkt. Bis heute wird in biblizistischer Auslegung die körperliche Züchtigung von Kindern mit diesem Vers legitimiert. Aber steht Hebr 12,4ff wirklich so im Gegensatz zu den übrigen biblischen Aspekten? Auf den ersten Blick ja, bei näherem Hinsehen nicht.

Hier müssen wir etwas ausholen: Der Schlüssel zum Verständnis liegt in der Bedeutung der griechischen Vokabeln ‚paideia’ bzw. ‚paideuo’, die in der Lutherbibel mit ‚Zucht’ bzw. ‚züchtigen’ übersetzt werden. Ursprünglich bedeutet ‚paideuo’ aber: „sich mit einem Kind zusammen befinden“. Später folgt die Bedeutung „erziehen, bilden, unterrichten“. Homer, Plato und Aristoteles vertraten das Ideal des vernünftigen, erziehbaren Menschen. ‚Paideuo’ im Sinne von körperlicher Züchtigung ist im griechischen Schrifttum nicht nachweisbar. Diese Bedeutung stammt einerseits aus der gr. Volkssprache und fließt anderseits durch die griechische Übersetzung der hebräischen Bibel ein. Dort nimmt ‚paideuo’ den in der hebräischen Vokabel ‚jasar’ mitschwingenden Sinn von ‚Züchtigung’ zusätzlich in sich auf . Gleichwohl aber dominiert die Grundbedeutung ‚zum Leben erziehen’ inklusive der Nuancen ‚ermahnen’, ‚zurechtweisen’ und ‚rügen’. Im Neuen Testament bezeichnet das Wort die Bildung (Apg 7,22; 22,3), vor allem die religiöse Bildung (2Tim 3,16; Tit 2,11-13). Nur selten klingt die Bedeutung ‚schlagen’ mit an (Lk 23,16.22). So schwingt der Gedanke der Züchtigung in Hebr 4 zwar mit, was in der Antike auch nicht verwundert – auch Philo und Josephus betonten das Recht väterlicher Gewalt (Spec. Leg. II 232; Ant. IV 260ff) –, wird aber deutlich dem Erziehungsgedanken untergeordnet. Dieser Text ist keine Legitimation des Schlagens, sondern ein Trost für Geschlagene. Deshalb ist zu übersetzen: „Wen der Herr liebt, den nimmt er in eine harte Schule; er erzieht aber einen jeden Sohn, den er annimmt (V.6). Haltet in der ‚Er-ziehung’ aus! Gott verfährt mit euch wie mit ‚Söhnen’. Gibt es einen ‚Sohn’, den der Vater nicht ‚erzieht’?“ . ‚Paideia’ kann demnach wohl Strenge beinhalten, bezeichnet aber grund-sätzlich etwas anderes als ‚Züchtigung’. A. Strobel fasst zusammen: „Die antike Schule war zwar streng, aber ihr Bildungsideal wird keineswegs vom Tatbestand der Züchtigung ... her angemessen erfasst. Es mag genügen, wenn wir sagen, dass immer die Formung des Menschen eigentliches Leitbild war, nie etwa die Bestrafung eines Vergehens“. Zucht und Zucht sind ja auch im deutschen Sprachgebrauch zweierlei, wie die Vokabeln Zuchthaus und Zuchtpferd belegen. Insofern könnte man auch übersetzen: „Wer sein Kind liebt, sorgt für seine Auf-Zucht“!            

An dieser Textstelle wird deutlich, dass nach urchristlicher Auffassung dem Vater volle, wenn auch nicht die alleinige , Verantwortung für die Erziehung und Bildung seiner Kinder zugeschrieben wird.  Dieser Sachverhalt wird sogar gleichnishaft für die metaphorische Rede von Gott als ‚Vater’ herangezogen. Sehr umstritten kann er demnach kaum gewesen sein. Im Gegenteil, er war wohl in der ganzen Antike selbstverständlich. Dass Liebe auch Strenge implizieren kann, heißt noch lange nicht, dass der Liebende schlagen dürfte. Genauso gilt, dass der Verzicht auf Strenge sowie nachvollziehbare pädagogische Konzepte noch nicht tiefere Liebe indiziert.

Eph 6,4 geht noch einen Schritt weiter: „Ihr Väter, erzieht eure Kinder in der Erziehung, die der Herr ausübt“. Väter sind also zur Erziehung beauftragt und zugleich begrenzt und zwar von dem eigentlichen Subjekt der ‚paideia’, dem Herrn, denn das Herr-Sein Jesu schließt die Selbst-Herrlichkeit des Menschen aus. An Gott findet väterliche Autorität ihrerseits ihren ‚Meister’, Ihm sind sie selber verantwortlich.


Fazit

Väter sind aus biblischer Sicht zur verantwortungsvollen Erziehungsarbeit gerufen. Moderne Selbstentbindung von diesem Auftrag unter Verweis auf die Erfordernisse der Berufsarbeit lässt sich von der Bibel her ebenso wenig legitimieren wie vormodernes autoritäres Patriarchenregiment unter Verweis auf angeblich schöpfungsgemäße Rollenzuschreibungen.